Thomas Hörmann
Live Mischen mit einem iPad und dem Mackie DL32R
Aktualisiert: 15. Feb. 2020
Schon seit längerer Zeit hat mir bei meinem Musikverein die Lösung mit einem festen, großen 32-Kanal-Analog-Mixer am FOH nicht mehr gefallen. Ein mega großes Multi-Core war notwendig, außerdem musste immer mitten im Publikum ein FOH aufgebaut werden.
Ich suchte eine Lösung, mit der man sowohl für den FOH Mix nicht fixiert auf eine Position ist als auch gleichzeitig auf der Bühne bei Anpassungsbedarf im Monitorsound oder in besonderen Situationen in der Lage war auf den Mix zugreifen zu können.
Außerdem wollten wir bei kleineren Gigs auch unabhängig vom FOH und dem großen fetten Mischpult sein.
Neue Wege gehen: Mischen ohne festes Mischpult

Da lief mir die Lösung von Mackie über den Weg: Der Mackie DL32R. Ein 32-Kanal Mischpult, das komplett ausschließlich über ein iPad per WiFi gesteuert wird.
32 Eingänge, 14 Ausgänge, 3 Effektwege, Kompressor, Gate und das alles über eine vollkommen intuitive Oberfläche steuerbar - das verspricht doch so einiges.
Die große Angst: Hat man auf dem iPad überhaupt eine Übersicht?
Wenn man ein Blasorchester mit 25 Mikrofonen plus Gesang und Solisten zu mischen hat, kommt natürlich im Zusammenhang mit dem iPad sehr schnell die Sorge auf, dass die Übersicht nicht gegeben ist. Was macht man, wenn man mal eben schnell irgendwo eingreifen muss?
Diese Sorge ist aber vollkommen unbegründet. Die Masterfader App von Mackie ist dermaßen übersichtlich, schnell und intuitiv, dass es unglaublich Spaß macht, damit zu arbeiten.
Hier ist die Gesamtübersicht über alle Kanäle zu sehen. Der Zustand aller Kanäle ist auf einen Blick in Realtime sichtbar.
Will man dann auf einen Kanal zugreifen, tippt man einfach schnell drauf und ist sofort im Kanal, wo man die Parameter im Detail bearbeiten kann.

Durch Wischen auf dem Bildschirm kommt man sehr schnell von einem Parameter-Bildschirm zum nächsten.
Dabei hat Mackie die Reihenfolge der Screens ähnlich dem Aufbau eines physischen Mischpults gestaltet.
Man gelangt von der Übersicht zunächst auf die EQ-Einstellungen des Kanals.
Die 4 Bänder können sehr schnell und einfach verändert werden. Mackie hat hier wirklich sehr gute Arbeit geleistet: Die einzelnen Bedienelemente sind wirklich für Touch-Display geschaffen. Ganz anders als bei anderen Herstellern, wo man immer das Gefühl hat, dass die Hersteller ein physisches Pult in ein iPad zu quetschen versuchen.

Mit einem Wisch nach oben kommt man in die Eingangssektion jedes Kanals. 48 V Phantomspannung, Gain und Trim, sowie Phasenumkehr können hier eingestellt werden.
Außerdem kann man hier auch gleich direkt die einzelnen Levels für die Aux-Wege justieren.
Die Zugehörigkeit zu Ansichtsgruppen, Subgruppen, VCA's und Mute-Gruppen kann hier pro Kanal ebenfalls festgelegt werden.

Ein Wisch nach unten bringt die Kompressor- und Gate-Einstellungen zum Vorschein.
Auch hier sind die Bedienelemente sehr schnell und intuitiv zu nutzen.

Als letzten Bildschirm findet man die Effekt-Sektion.
Hier kann man für jeden Kanal den Hallanteil mixen.

Es gibt noch zahlreiche weitere detaillierte Features, diese zu zeigen würde den Rahmen des Blogs hier sprengen.
Das Wesentliche bei einem Mixer: Der Sound
Ich bin wirklich begeistert, wie gut der DL32R klingt! Die Onyx-Mikrofonvorverstärker sind erstklassig. Der Mackie klingt sehr ausgewogen.
Die Klangregelung reagiert hervorragend und macht den Sound jederzeit kontrollierbar.
Der Mixer im Live Einsatz mit einem Blasorchester
Der erste große Einsatz für unseren Mixer war die sogenannte "Abendserenade". Ein Open Air Konzert im örtlichen Bürgerpark mit rund 1.000 Besuchern. In diesem Jahr hatten wir zusätzlich die Freunde vom örtlichen Chor, dem Liederkranz, eingeladen mit uns die Serenade gemeinsam zu gestalten.
Das war natürlich eine Herausforderung: Ein komplettes Blasorchester plus Chor. Der Vorteil war, dass die Veranstaltung Open Air stattfand, sodass die Raumakustik hier keine Rolle spielte.


Der Sound war mit dem Mackie DL32R jederzeit einfach zu managen. Das unglaublich schöne an diesem Konzept ist, dass man als Tontechniker vollkommen flexibel und mobil ist. Man kann sich den FOH Mix einstellen und anhören und dann, wenn der Chor singt, kurz zum Chor auf das Podest gehen und den Monitor feintunen.
Das ist einfach klasse!
Zweite Herausforderung: Weinfest
Wenige Monate später kam dann schon die zweite große Herausforderung für den Mackie DL32R: Unser jährliches Weinfest stand an und auch das wollten wir diesesmal soundtechnisch mit unserer neuen Lösung abwickeln.
Nachdem das erste Weinfest 2017 schon gut mit diesem Konzept funktionierte, haben wir für 2018 das Setup noch etwas erweitert.
Das Weinfest ist ein Party-Abend mit fetziger Blasmusik und einem Showteil mit unterschiedlichen Einlagen. Da hat der Tontechniker einiges zu tun und das Equipment muss funktionieren.
Als Höhepunkt am Abend haben wir bei der Mitternachtsshow einen kleinen Auszug aus Mamma Mia gespielt - mit Live-Band aus Schlagzeug, Keys, Gitarre, E-Bass, Bläsern, sowie mehreren Sängern.
Weniger ist mehr: Reduzierung der Mikrofonierung
Während wir in 2017 noch mit dem alten Mikrofonierungs-Konzept gearbeitet haben, waren wir damit 2018 nicht mehr zufrieden. 25 Mikrofone für eine Blaskapelle bei 2x komplettem Umbau auf der Bühne ist einfach zu viel Aufwand - und die Kapelle ist nicht mehr authentisch im Sound.
Deshalb haben wir die Mikrofonierung verbessert und reduziert.
Anstatt der zahlreichen - günstigen - Oktavas haben wir in 4 Stück Neumann KM184 investiert. Diese Mikros sind im Recording die absolute Referenz und klingen dermaßen klar und linear.
Dazu noch 2 Stützen mit Oktavas, die Tuben mit Clip und das war die gesamte Mikrofonierung für die Blaskapelle.
Schlagzeug, Keys, Gitarre und E-Bass wurden ebenfalls direkt abgenommen.
6x Gesang kam dann noch hinzu, davon 3x mit Headset.
Gleichzeitig haben wir mit 6 Monitoren auf der Bühne, sowie einer Delay-Line gearbeitet.


Der Mackie hat sich aber auch hier tadellos geschlagen. Der Sound war super und das Handling vollkommen unproblematisch.
Der Mackie wurde direkt neben der Bühne platziert, der Router - ich empfehle DRINGEND einen Apple Airport Express - wird ganz einfach nur auf das Rack gelegt. Im Vorjahr hatten wir ihn noch mit langem Netzwerkkabel auf die Boxen geklebt - aber das ist vollkommen unnötig. Die Verbindung ist in der gesamten Halle bei 600 Gästen niemals abgebrochen, egal wo man sich mit dem iPad hin bewegt hat.
In 2018 haben wir uns insofern nochmals optimiert, weil wir zu zweit gemixed haben. Hier zeigt sich dann die Stärke des Systems: Ein Mann kann unten in der Halle flexibel den FOH Sound betreuen - der andere ist oben auf der Bühne und macht den Monitormix - und kann bei Bedarf aber auch auf alle anderen Sound-Komponenten zugreifen.
Die spannendste Herausforderung war sicherlich die Mitternachtsshow selbst, die uns rundum perfekt gelungen ist. 5 Sänger/Redner plus Band, also eine echte Musical-Besetzung waren zu mischen und das bei einem enormen Lautstärkepegel im Saal plus 6 Monitoren.
Das Konzept des Mackie ist hier unschlagbar, denn man kann sehr schnell und flexibel überall hin - vor der Bühne, hinter die Bühne, Monitore kurz checken, danach wieder FOH Sound abgleichen....und egal was man tut - man hat sein Mischpult immer dabei.
Pausen-Musik per WLAN vom iPad über den Apple Airport Express direkt auf den Mixer gestreamed
Für die Umbau-Pausen, die dank unserer reduzierten Mikrofonierung wesentlich schneller gingen als früher, spielten wir Musik ein. Dazu haben wir einen kleinen Trick genutzt: Der Apple Router hat einen Kopfhörer-Ausgang und dient gleichzeitig als AirReceiver. So konnte ich die notwendige Pausen-Musik, aber auch die Musik für die Einlagen bei der Revue, auf das iPad spielen und von dort ebenfalls vollkommen flexibel über den Router auf den Mixer streamen. Das ist der Gipfel der Mobilität.

Fazit:
Mein Fazit ist eindeutig und klar: Ich kann jedem, der ein wenig offen ist für neue Technologien, der im Umgang mit iPad sicher ist, ganz klar empfehlen, auf solch eine Lösung umzusteigen.
Das Mischen einer Blaskapelle, eines Chores oder einer Band macht mit dem Mackie DL32R wahnsinnigen Spaß, weil man als Tontechniker eben nicht nur abseits im Publikum sitzt, sondern wirklich mittendrin sein kann und zu jeder Zeit einen 100%igen Zugriff auf den Sound hat.
Es kommt hinzu dass der Mackie gleichzeitig mit bis zu 8 iPads bzw. iPhones gesteuert werden kann. Es ist möglich die unterschiedlichen Geräte in ihrem Zugriff zu beschränken. Man kann so zum Beispiel jedem Musiker einer Band seinen eigenen Monitor-Mix erlauben.
Die Möglichkeit, Shows und Szenen abzuspeichern und während des Events wieder abzurufen ist ebenfalls super easy gelöst und macht es einfach, spezielle Musiktitel mit dem jeweiligen Setup abzuspeichern.
Die Szenen und Einstellungen können darüber hinaus am iPad offline vorbereitet werden - ohne dass der Mixer mit dem iPad verbunden ist. Das ist ein geniales Feature. So konnte ich die gesamte Besetzung und Belegung der Kanäle vorher schon festlegen und hatte beim späteren Event dann weniger Arbeit für das Setup.
Mackie hat hier super Arbeit geleistet und ein tolles Stück Hardware abgeliefert, das absolut zuverlässig und intuitiv zu nutzen ist.




